At Mehrangarh Fort, located in Jodhpur

Die blaue Stadt Rajasthans

Jodhpur, die blaue Stadt Rajasthans, reiht sich in die Liste der Städte, die durch ihre Farben Berühmtheit erlangte. Die Stadt erhielt ihren Namen aufgrund der unzähligen blau gestrichenen Häuser. Früher war es nur der Kaste der Brahmanen erlaubt, ihre Häuser blau zu streichen.

Das indische Kastensystem

Die Brahmanen gehören zur obersten Kaste im indischen Kastensystem (Varna: wörtlich Farbe). Zu den Brahmanen werden traditionell die Intellektuelle Elite, Lehrer der religiösen Schriften des Hinduismus (Veda) sowie Priester gezählt. Den Brahmanen wird die Farbe Weiß zugeordnet und wird mit Reinheit und Klarheit in Verbindung gebracht. Im klassischen Kastensystem gibt es 3 weitere „Farben“:

  • die Kriegerkaste der Kshatriyas (rot).
  • die Vaishaya (gelb), traditionell Bauern und Kaufleute
  • Die Shudras (schwarz), Diener, Knechte und Tagelöhner.

Darüber hinaus gibt es die so genannten „Unberührbaren“, auch Dalits, Paria oder Harijans genannt, die außerhalb des Varna-Systems stehen. Im Hinduismus gelten die Dalits als unrein und haben daher in vielen Bereichen der Gesellschaft mit Einschränkungen oder gar Ausgrenzung zu kämpfen – auch heute noch.

Blaue Symbolik

Blau hat über die Jahrhunderte in vielen Bereichen eine spezifische Symbolik erhalten. Die Ägypter verbanden mit den blauen Wassertiefen das Weibliche, während der Himmel dem Männlichen zugeordnet wurde. Ebenso wird die Farbe Blau mit der Ewigkeit assoziiert  und zur Farbe des Göttliche: Amun (ägyptisch), Zeus (griechisch), Jupiter (römisch), Vishnu und Krishna (indisch), heilige Mutter (katholisch).

Die Kosten für die Herstellung blauer Farbepigmente war sicher ebenfalls ein Grund, dass Blau eher zur königliche Farbe wurde und nur den herrschenden Klassen oder den Religionen vorbehalten war. Das erste synthetische Blau entstand erst um 1704 als Nebenprodukt bei der Herstellung eines Unsterblichkeitstrankes: das berühmte Preussischblau (Ferriferrocyanid). 1828 wurde wurde erstmals synthetisches Ultramarin hergestellt.

Blau in der Architektur

In China ist die Farbe Blau insbesondere in Tempeln zu finden. Es gibt Blaue Moscheen unter anderem in der Türkei, in Ägypten, Armenien oder dem Iran. Im Islam gilt Türkis und Blau als Symbol, die vor dem Bösen schützt. Die blauen Kuppeln auf der berühmten griechischen Insel Santorin huldigen die Jungfrau Maria.

Der Brauch, die Häuser der Brahmanen in Jodhpur blau zu streichen, stammt aus dem 16. Jahrhundert. Es erlaubte dem Maharadscha, die Häuser der Brahmanen von der Mehrangarh-Festung, die noch heute der königlichen Familie gehört, aus sofort zu erkennen. Mittlerweile ist diese Einschränkung nicht mehr so restriktiv.

Huldigung des Lord Rama

Die siebte Inkarnation von Vishnu, einem der hinduistischen Götter, ist Rama (auch Ram oder Ramachandra) welcher ebenso mit blauer Haut dargestellt wird. Zu seinen Ehren feierte die gesamte Stadt seinen Geburtstag (Ram Navami). Ein unendlich langer und lauter Festzug schob sich durch die engen Einkaufsgassen.

Säbelschwingende Inder führten den Festzug an. Wir ergatterten einen schattigen Platz in den Reihen der Frauen, die zum Zuschauen ‚degradiert‘ waren, sofern sie nicht mit auf einem der unzähligen Umzugswagen saßen, auf denen Kinder in Lord Rama Kostümen starr und schweigend posierten und Luft zu gefächert bekamen.

Jeder zweite Wagen war angeführt von museumsreifen Traktoren, so dass unsere Augen von den Abgasen tränten. Unser Highlight war allerdings unsere persönliche Gouvernante. Mit äußerster Vehemenz verteidigte eine ältere Dame uns vor den Zugriffen der Jugendlichen, die uns auf die Straße ziehen wollten, um hinter ihrem Festwagen mit ihnen zu tanzen. Rund 50 Wagen des Festumzuges waren mit Lautsprechern bestückt, die die Menge beschallten. Die Wagen fuhren so dicht hintereinander, dass die Musik zu einem ohrenbetäubenden musikalischen Potporri wurde. Es tanzten ausschließlich Jungs und Männer. Es erinnerte an die Ursprünge der Love Parade. Die nette indische Dame verteidigte rund drei Stunden unsere Ehre, fauchte die Meute an, fuchtelte mit den Armen und schütze uns vor aufdringlichen Zugriffen, sobald sich jemand näherte. Wir waren sehr dankbar für diese Hilfsbereitschaft und freundlichen Geste.