Terracotta warrior

In der Stadt der Terrakotta-Armee

Ich fuhr mit dem Rad auf der alten Stadtmauer der Stadt Xi‘an. Sie ist über 13,6km lang und am Sockel 18m breit und 12m hoch. Sie ist die größte fast vollständig erhaltene Stadtmauer Chinas. Ich benötigte rund eine Stunde, bis ich die ganze Strecke auf den alten Pflastersteinen zurückgelegt hatte. Vor mir lag das alte und das neue Xi‘an. Außerhalb der Mauern erheben sich die Hochhäuser. Weit kann ich allerdings nicht schauen, da der Smog die Sicht beeinträchtigt. Innerhalb der Mauern hat sich dankenswerterweise trotz der Modernisierungen kaum ein herausragendes Hochhaus eingeschlichen. Hier gab es scheinbar die baurechtliche Vorgabe, eine gewisse Bauhöhe nicht zu überschreiten. Der Blick über die Innenstadt wirkte stimmig. Die historischen Gebäude mit ihren schwarzen Ziegeldächern und die farbenfrohen und vergoldeten Tempel kämpfen um Aufmerksamkeit in der dicht bebauten Innenstadt. Nur der Glockenturm genießt eine räumliche Freiheit, da er sich auf einer Verkehrsinsel befindet. Die Bedeutung von Xi‘an variierte über die Jahrhunderte. 13 Kaiserdynastien haben von Xi‘an aus regiert. Bemerkenswert ist jedoch, dass sich in der Stadt historische Bauten verschiedenster Glaubensrichtungen versammeln. So finden sich buddhistischen Pagoden, christlichen Monumente, konfuzianische Tempel und Moscheen gleichermaßen in der Altstadt. Der Einfluss der Seidenstraße spielte hier eine wichtige Rolle. Berühmtheit erlangte Xi‘an erneut nach dem Fund der Terrakotta-Armee und dem Mausoleum des Kaisers Qin Shihuangdis aus dem Jahr 221 v. Chr. im Jahre 1974. Seitdem ich vor sechs Jahren das erste mal in China war, hat sich viel verändert. Die Bevölkerung ist in 5 Jahren um mehr als 31 Millionen auf 1,37 Milliarden (Jahr 2016) angewachsen. Diese Menschen müssen ernährt werden. Doch die Farmer haben damit zu kämpfen, dass Ihnen die Ackerflächen für Bauprojekte verschiedenster Art weggenommen werden. Der Staat modernisiert unermüdlich das Straßen- und Schienennetz. Die Wirtschaft floriert und benötigt mehr und mehr Produktions-, Arbeits- und Verkaufsfläche. Und nicht zuletzt verlangt die Bevölkerung neuen Wohnraum. Wenn ich allerdings durch China reise, stehen viele der hübschen, neuen Wohn- und Geschäftsanlagen leer oder wurden nicht fertiggestellt. Es gibt ganze Geisterstädte wie Kangbashi, die am Reißbrett entstanden sind. Wo bleiben all die zahlungsfähigen Mieter und Eigentümer? Tom erzählte mir, dass sich allein der Kaufpreis seiner Wohnung in Nanjing um ein Vielfaches erhöht hätte, seit er in China wohnt. Ökonomen erwarten in China schon lange das Platzen einer Immobilienblase. Der Verlust von Ackerfläche durch Bauprojekte oder Erdrutsche, durch ausgelaugte Böden oder Naturkatastrophen führt zu einer steigenden Lebensmittelknappheit. Die Bevölkerung nutzt zwar jeden Meter freie Fläche und macht diese urbar, aber schon heute klagen viele Bauern über zu wenig fruchtbare Landfläche. China besitzt laut nationalem Statistikamt rund 15,8 Millionen Quadratkilometer landwirtschaftlicher Nutzfläche (rund fünf mal die Fläche Deutschlands). Die Gesamtfläche für den Ackerbau hat sich zwar in den letzten 10 Jahren verdoppelt, aber auch die Bevölkerung wuchs um über 48 Millionen Menschen an. Schon jetzt importiert China tonnenweise Getreide, Reis, tierische Produkte und andere Lebensmittel. Zusätzlich zieht es einen Großteil der Landbevölkerung in die Städte. Vor allem die junge Generation sieht ihre Zukunft in den Städten. Zurück bleiben die Alten. Dies hat natürlich zur Folge, dass weniger Bauern mehr produzieren müssen und hier zusätzlich eine Vergreisung einsetzt. Laut Schätzungen gab es 2015 in China rund 277 Millionen Wanderarbeiter (darunter viele ehemalige Bauern), die vor allem im Bau tätig wurden. Ein Großteil Chinas ist hügelig oder bergig und die Äcker müssen mühsam mit Hand bestellt werden. Landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge wie Traktoren sind zu groß oder ungeeignet für die kleinen oder terrassenförmigen Anbauflächen. Immer wieder sehe ich Anbauflächen, die eher an Gemüsebeete im heimischen Schrebergarten erinnern. Sie befinden sich am Rande von Straßen oder Schienen, unter Brücken oder neben Baustellen. In den Städten erhält Urban Gardening eine ganz neue Dimension. Umfunktionierten Abflussrohre oder aufgeschnittene Plastikflaschen werden zweckentfremdet und bieten Raum für Kohl oder Salat. Der Erfindungsreichtum der Chinesen für Anpflanzungen kennt keine Grenzen. Davon werde ich sicher einiges selber irgendwann umsetzen.