Scenes of Kathmandu

Kathmandu – Zwischen Schutt und Sehnsucht

Liebe Freunde, heute schreibe ich euch aus Kathmandu mit seinen angenehmen 25°C bei Sonnenschein. Es mag den einen oder anderen verwundern, warum ich Indien so schnell verlassen habe. Die Ursache hierfür ist schnell erklärt. Ich möchte noch vor der Monsunzeit in Nepal auf Trekkingtour gehen. Aber ich greife voraus.

Klettern nahe Kathmandu

Seit einigen Tagen verbringe ich meine Zeit mit Jenny in der Hauptstadt Nepal. Wir haben uns in Hampi getroffen und uns in Nepal zum Klettern verabredet. Gesagt, getan, hier sind wir nun – und haben auch schon das erste Klettergebiet in der Umgebung erkundet. Im Nagarjun Forest, einem Militärgelände / Parkanlage befindet sich ein kleiner Block Kalkfelsen, der keine Schwierigkeiten bot außer besonders speckig zu sein. Die Infos zu dem Klettergebiet erhielten wir von einer Gruppe einheimischer Kletterer in der Kletterhalle (Astrek Climbing Wall) in Kathmandu. Diese hatten uns ebenso empfohlen, unsere Kletterpläne nicht am Parkeingang anzumelden, da dies zwar nicht verboten aber auch nicht gerne gesehen wird, da es dort ein paar Verbrechen gab und sie Ausländer schützen wollen. Unsere Ausrüstung war daher gut im Rucksack verstaut. Dafür bot sich uns ein schöner Blick über Kathmandu. Natürlich kam auch eine Gruppe nepalesischer Soldaten mit Maschinengewehren vorbei. Sie waren neugierig und  wollten ebenso klettern, jedoch in ihren Militärstiefeln und ohne Gurt. Wir konnten sie überzeugen, von dieser Idee abzulassen.

Schwierige Zeiten

Kathmandu selbst ist eine Stadt, in der ich mich sehr wohl fühle. Es ist so viel anders hier als in Indien und doch schwer zu beschreiben. Der Touristenbezirk Thamel strotzt nur so von Werbeschildern und es ist leicht, sich in diesen engen Gassen zu verirren. Wie bereits in Indien, sind die hinduistischen Tempel und Gebetsstätten umzingelt von den Häusern, Straßenständen und improvisierten Bauten. Von den zwei Erdbeben im April und Mai 2015 sind ebenfalls noch die Auswirkungen zu sehen.  Sie gelten als die tödlichste Katastrophe in der Geschichte Nepals.  Mehr als 8000 Menschen verloren ihr Leben und über 22.000 Menschen wurden verletzt. Zeitweise ist die Strom- und Wasserversorgung in Kathmandu ausgefallen. Besonders betroffen war das Kathmanduthal und die Region um Namche Bazar. Die Auswirkungen der Erdbeben sind noch heute in der Stadt und auch in den ländlichen Regionen zu sehen. Jahrhunderte alte Gebäude, die als  UNESCO-Welterbestätten galten, wurden zerstört. Noch immer liegen Schütt und Trümmer in der Stadt. Vielen Häusern fehlen Fassaden. Einige Häuser sind noch immer mich Stützbalken stabilisiert. Überall in der Stadt werden alte Ziegel gesäubert und neu verbaut. In den ländlichen Regionen um den Manaslu Circuit wohnen Einheimische noch immer in provisorischen Zeltstädten oder in Wellblechhütten. Die Beschriftungen der Hilfsorganisationen, die Ihnen die Materialen gestellt haben, sind mittlerweile verblasst. Doch die Häuser sind noch nicht wieder aufgebaut. Eine Versorgung dieser Regionen ist schwierig, da es keine Straßen gibt. Die Versorgung der Foothill-Tribes ist nur per Lastenesel möglich. In Karawanen von bis zu zehn Tieren begegnen uns die Packesel regelmäßig auf den schmalen Bergpfaden. Eine Strecke kann da schon mal fünf bis sechs Tage andauern. Bergsteiger am Everest waren ebenfalls betroffen. Eine vom Erdbeben ausgelöste Lawine überrollte das Basislager. Mehrere Bergsteiger starben.  Was mich aber wirklich überrascht, ist die Freundlichkeit, die einem hier trotz dessen allerorts begegnet. Die Menschen sind entspannt und schenken einem gerne und oft ein Lächeln. Es ist kaum zu glauben, dass noch vor 10-20 Jahren blutige Auseinandersetzungen und Demonstrationen das Land in Atem hielt. Dass ich heute mit vielen anderen Reisenden dieses Land und die Schönheit der Berge genießen kann, macht mich dankbar. Die Menschen sind hier sind beeindruckend. Jeden Morgen um 7 Uhr werden die kleinen Geschäfte geöffnet. Die Inhaber fangen an, den kleinen Bereich vor dem Laden zu fegen und vom Staub des Vortages und der Nacht zu reinigen. Die Stoffe, Taschen, Jacken, Wanderkarten oder das Kunsthandwerk werden wie – schon am Tag davor – am Eingang, auf der Treppe und vor dem Laden aufgebaut und sortiert. Am Straßenrand positionieren sich die ersten Händler mit frischem Obst oder mit Omelett nepalesischer Art, um die ersten hungrigen Kunden zu finden. Jeder hat seinen Einzugsbereich. Nach einigen Tagen erkennt man die Gesichter der Händler und hat seine Favoriten gefunden. Die Menschen sind genügsam. Und das trotz der turbulenten Vergangenheit. Von 1970 bis 2008 war Nepal eine Monarchie. Seit 1996 kämpften die kommunistischen Maoisten in einem Bürgerkrieg gegen das Königshaus und das bestehende Kastensystem. Die Auseinandersetzungen gipfelten in einem Massaker an der Königsfamilie 2001, bei dem der König und ein Großteil der Familie ums Leben kam. Die Meinungen über den Tathergang und dem Täter gehen hier auseinander. Der Sohn des Königs übernahm die Regentschaft und es folgte eine turbulente Zeit, in der tausende Menschen ihr Leben verloren, Parlamente ernannt und abgesetzt wurden oder auch der Notstand mit den entsprechenden und fragwürdigen Rechten von Staat und Polizei ausgerufen wurde. Erst 2006 wurde der Bürgerkrieg in einem Vertrag für beendet erklärt – das ist mal gerade 20 Jahre her! Seit 2008 ist Nepal eine Republik. Die Auswirkungen dieser noch jungen Ereignisse haben Nepal gezeichnet. Armut und Reichtum liegen hier dicht beieinander. Das politische System ist noch jung. Korruption ist keine Seltenheit. Alte Führungsstrukturen und Netzwerke sind noch lange nicht aufgebrochen. Der Wunsch nach Demokratie nach wie vor ungebrochen – so sprechen jedenfalls die Buchcover aus den unzähligen Buchläden in Thamel. Sich in diesem Setting zu bewegen ist schon ein wenig befremdlich. Andererseits bin ich ebenfalls das Kind eines Systemwechsels (geboren und aufgewachsen in der ehemaligen DDR) und fand dies wenig befremdlich. Es ist immer eine Frage der Perspektive und der Nähe zu den Ereignissen, die einen mehr oder weniger mit solchen Ereignissen verbinden. Und um euch die Menschen und das Leben der Nepalesen näher zu bringen, hier ein paar Straßenbilder der Stadt.