Sunrise at Borobudur Temple

Zwischen Tempeln und Vulkanen

Südostasiens größter buddhistischer Tempel

Bei Borobudur handelt es sich nicht um eine Sagengestalt aus der Mythologie sondern um die grösste buddhistische Tempelanlage in Südostasien (Mahayana-Buddhismus). Sie liegt in der Nähe des Vulkans Merapi auf der indonesischen Insel Java. Sie wurde während der Sailendra Dynastie (760 – 860, Sailendra bedeutet „Herrscher der Berge“) erbaut. Der Bau gilt als Manifestation ihrer Macht.  Kurz nach ihrer Fertigstellung wurde die Anlage allerdings verlassen, da die Sailendra ihren Regierungsitz aus unbekannten Gründen in einen anderen Teil der Insel verlegten. Sie geriet daher und aufgrund der politischen Machtverschiebungen im Lande in Vergessenheit. Erst im 18. Jahrhundert wurde die Anlage „wiederentdeckt“. Sir Thomas Stamford Raffles (1781 – 1826), ein britischer Forscher, Staatsmann und Gründer Singapurs, wurde 1811 nach der erfolgreichen Invasion der Briten auf Java zum Gouverneur von Java ernannt. In dieser Funktion hörte er von der Existenz Borobudurs und beauftragte den holländischen Ingenieur H.C. Cornelius mit der Erkundung des Tempels und seiner Freilegung von der Asche und der Vegetation. Als die Holländer 1835 Java von den Briten zurück eroberten, übernahmen diese die weiteren Ausgrabungen der Tempelanlage.

Borobudur zum Sonnenaufgang zu besichtigen, ist besonders sehenswert. Ich fuhr also um vier Uhr morgens mit dem Roller von Yogyakarta zur rund 30 km entfernten Sehenswürdigkeit. Es war eisig kalt und die Straßen unbeleuchtet. Als ich in am Eingang zur Tempelanlage ankam, wartete bereits ein Dutzend weitere Besucher auf mich. Ein Großteil ist in Reisebussen als Gruppe angereist. Als um fünf Uhr die Tore geöffnet wurden, gab es schließlich auch ein Drücken und Schieben und Drängeln. Mit Taschenlampen bewaffnet rannten einige so schnell wie möglich die Stufenpyramide empor, um den besten Platz für den Sonnenaufgang zu ergattern. Diese schob sich schließlich orangegelb über den Vulkan Merapi empor und hüllte den Himmel in ein goldenes Licht. Borobudur erhob sich herrschaftlich über die umliegenden Wälder und Ort, die noch im Dunst und Nebel der Nacht friedlich vor uns lagen. Ich stand auf den obersten Terrassen mit seinen 72 perforierten Stupas, in welchen sich kleine Buddha-Statuen befanden. Langsam erhellte das Licht die großartige Architektur der Tempelanlage, die einem Hügel gleich, alles überragte. Es ist nur schwer vorzustellen, wie aufwendig der Bau im 9. Jahrhundert gewesen sein muss und wie viel Mühe es bereitet haben muss, die Anlage von der Erde, der Asche und der Dschungelvegetation zu befreien.

Die Basis der neunstufigen Pyramide ist mehr als 120m lang. Während die ersten sechs Stufen noch der quadratischen Form folgen und sich die Galerien, nach oben hin verjüngen, sind die obersten drei Stufen rund angelegt. Hier befinde sich auch die 72 perforierten Stupas. Die Spitze bildet eine einzelne große Stupa. Die Galerien Borobudurs zeigen buddhistische Symbole und geben die buddhistische Kosmologie wieder, in der das Universum in drei Welten unterteilt ist. Insgesamt gibt es über 2672 Reliefs, die Lehren und das Leben Buddhas sowie Sutras wiedergeben oder dekorativen Charakter haben. Darüber hinaus können Besucher 504 Buddha-Statuen in Borobudur besichtigen. Genau wie Borobudur gehört auch Prambanan, die größte hinduistische Tempelanlage Indonesien, zum UNESCO Weltkulturerbe. Prambanan liegt nur wenige Kilometer östlich von Yogyakarta.

Indonesien größter hinduistischer Tempel

Die Architektur Prambanans unterscheidet sich erheblich von der Borobudurs, obwohl beide Tempelanlagen ungefähr zur selben Zeit um 850 errichtet wurden. Historiker mutmaßen, dass der Bau von der hinduistischen Sanjaya Dynastie als Machtdemonstration und als Antwort zum Bau von Borodudur durch die Sailendra Dynastie verstanden werden kann. Die Anlage besitzt acht Hauptschreine und rund 250 Einzeltempel oder Schreine. Die spitz zulaufende Architektur ist charakteristisch für hinduistische Bauwerke. Die größten Schreine sind den Göttern Shiva (der Zerstörer), Vishnu (der Bewahrer) und Brahma (der Schöpfer) gewidmet. Prambanan ereilte ein ähnliches Schicksal wie Borobudur. Nach der Fertigstellung wurde auch dieser Tempel verlassen und zerfiel. Seine „Wiederentdeckung“  durch Colin Mackenzies erfolgte ebenso unter Sir Thomas Stamford Raffles Besatzungszeit. 1918 begann starteten die Holländer einen halbherzigen Wiederaufbau. Leider fiel der Tempel in der Folgezeit Plünderungen zum Opfer. Viele Skulpturen wurden geraubt oder die Steine als Bausubstanz genutzt.  Erst 1930 begannen ernsthafte Restaurierungsarbeiten. Dieser sind noch immer nicht abgeschlossen. In einigen Arealen reihen sich große und kleine Steinquader, Skulpturen und steinerne Schnitzereien in Reihen wie ein Puzzle auf und warten darauf, zusammengefügt zu werden.

Schwefelproduktion am Kawah Ijen

Doch Java hat nicht nur Tempel zu bieten. Die Insel besitzt unzählige Vulkane. Und zu einem dieser Vulkane bin ich ebenso Nachts mit dem Roller gefahren. Kawah Ijen lockt mit dem faszinierenden Blue Fire von brennenden Schwefelgasen. Hier befindet sich die bedeutendste Schwefelansammlung Indonesiens. Seit 1968 wird hier Schwefel abgebaut.

Über ein ausgeklügeltes Rohrsystem werden Schwefeldämpfe zu einer Entnahmestelle geleitet, wo der Schwefel in flüssiger, orange-gelber Form austritt. Wenn der Schwefel abgekühlt und erstarrt ist, brechen Arbeiter mit Eisenstangen, die so genannten Schwefelstecher, Schwefelplatten aus und tragen diese in Bastkörben 3 km  hoch steil bergauf zum Kraterrand und anschließend hinab ins Tal. Pro Gang schultern sie dabei um die 90 kg. Bis zu sechs Tonnen bauen die Arbeiter täglich ab, stets begleitet von den Blicken und den Kameralinsen der Touristen. Am Kawah Ijen haben Besucher die einzigartige Möglichkeit, Minenarbeiter beim Schwefelabbau hautnah zu beobachten und die blau brennenden Schwefelgase zu bewundern. Dieses Schauspiel entsteht durch Überhitzung. Wenn sich das Schwefelgas entzündet, brennt es hellblau und ist vor allem Nachts ein mystisch anmutendes Naturschauspiel.

Die Besichtigung dieses Phänomens ist nur mit Gasmaske erträglich. Und selbst mit dieser fällt mir das Atmen schwer. Orangenscheiben in der Maske helfen gegen den Würgereiz. Kein Tourist geht heute ohne diese Masken bis hinunter zur Abbaustelle. Einfache Staubmasken sind hier absolut unnütz. Vor Ort sehe ich jedoch viele Schwefelstecher ohne Schutzausrüstung. Einige halten sich lediglich ein Tuch oder Schal vor den Mund und die Nase. Immer wieder drehen die Winde im Vulkankrater und die hochgiftigen Schwefeldämpfe zwingen mich dazu, mich hinzuhocken und die Augen zu schließen. Das Atmen fällt dann besonders schwer. Die Einheimischen sprechen auch vom Atem des Kawah Ijens. In diesen Momenten kämpfe ich mit dem Wunsch, diesen Ort schnellstmöglich zu verlassen. Das ist aber unmöglich, da ich keinen Meter weit sehen kann. Der Job zerstört die Gesundheit der Schwefelstecher und der Lohn ist gering. Dennoch verdienen die Arbeiter hier wohl mehr Geld, als auf den umliegenden Plantagen. Ein Zubrot versprechen sich die Arbeiter durch den Verkauf von geschnitzten Figuren aus Schwefel. Sehr beliebte Schnitzfiguren sind derzeit die Minions.

Der Schwefel wird von der Chemieindustrie und Pharmakonzernen gekauft. Aber auch die Zuckerrohrfabriken der Gegend nutzen den Schwefel, um diesen zu bleichen. Warum? Weil dieser Schwefel noch immer billiger ist als derjenige, der auf dem Weltmarkt im Überfluss gehandelt wird.

Der Anblick des blauen Feuers rückt bei diesen Bedingungen schon fast in den Hintergrund. Einzelne Flammenherde tanzen zwischen den dichten Rauchsäulen wild hin und her. Ich erwarte jeden Moment den Gesang des Rumpelstilzchen in meinem Ohr und ein wildes Lachen. Es ist so unwirtlich und so faszinierend zugleich. Die Bedingungen, ein atemberaubendes Foto zu machen, sind schwer. Immer wieder drehen die Winde und die Flammen verschwinden im Rauch. Ich gebe nach einer halben Stunde auf und steige vor Sonnenaufgang zum Rand des Kraters hinauf. Zwei kräftige Schwefelstecher mit vollen Bastkörben überholen mich und verschwinden im Nebel und der Dunkelheit.