Manaslu Trek - Larkya Pass (5125m)

Anfängerfehler und Rekorde auf dem Manaslu Trek

Was passiert, wenn man Menschen auf Wanderschaft schickt? Sie fangen an – über Gott und die Welt nachzudenken – aber vor allem auch sich mit sich selbst auseinander zu setzen. Und dies geschieht selbst dann, wenn man in einer Gruppe wandern geht, so gibt es immer wieder Passagen, in denen man alleine wandert und einen nur das Geräusch des eigenen Atems begleitet. Endlose Täler, unzählige Steinstufen, mächtige Berge, schlängelnde Pfade und ein rauschender Fluss in einer Schlucht sind in meinen Augen die berauschendsten Kulissen, um heraus zu gehen, nach zu denken, los zu lassen und wieder heim zu kommen. In jedem Fall ist man danach stärker und voller Energie – auch wenn der Körper schmerzt. Vor einigen Tagen habe ich meine längste Rundwanderung meines Lebens beendet und gleichzeitig eine neue Höchstmarke für erwanderte Höhenmeter gesetzt: 5170m. Über 15 Tage war ich auf dem weniger von Touristen begangenen Manaslu Trek unterwegs (inklusive Guide und Träger), der um den über 8156m hohen Mount Manaslu (Mountain of the Soul: im Sanskrit bedeutet „manasu“ Seele) entlang führt. Auf den letzten zwei Abschnitten verschmilzt der Trek mit dem bekannten Annapurna Trek. Unser Hike startet auf rund 600 Höhenmetern in Arketh Bazar, nachdem wir auf dem Dach eines lokalen Busses die Hälfte der mehrstündigen Fahrt von Kathmandu verbracht haben. Auf dem Dach war es zwar nicht gemütlicher und ich wäre fast herunter gefallen, aber hier oben war es angenehmer als im stickigen Bus, in dem sich eine Frau erbrochen hatte wegen der vielen Schlaglöcher und Kurven.
Das Erste -Hilfe-Set des Busses besteht aus Spucktüten!
Auf dem Manaslu Circuit gleicht kein Wandertag dem anderen. Die Landschaft und Szenerie wechselt jeden Tag. Ab dem zweiten Wandertag sind die Bewohner auf Träger und Kolonnen von Eseln und Lastentieren angewiesen, die Lebensmittel und Lebensnotwendiges zu den Dörfern tragen – bis zu 5-6 Tage weit in die Gebirgsketten hinein. Aufgrund dessen werden die Anwohner auch Foothill-Tribes genannt. Je näher wir der tibetischen Grenze kommen, desto stärker ist der Einfluss des tibetischen Buddhismus zu sehen. Mit der Entfernung wechselt auch das Bild der Anwohnern – nicht nur in Hinsicht auf ihre kulturelle Zugehörigkeit. Je mehr Tagesetappen wir voran schreiten, desto schmutziger und löchriger wird die Kleidung. So manches niedliches Kindergesicht versteckt sich hinter einer Kruste aus Schmutz und Schnodder. Wasser ist eine wertvolle Ressource und das Trocknen von Wäsche ist eine Frage des perfekten Timings. Der Trek führt entlang des tobenden Buri Gandaki Flusses, der sich aus unzähligen Wasserfällen und aus den Gletscherseen speist. Wir wandern durch feuchtwarme, moosige Wälder, die Kulisse für Märchen- aber auch Horrorfilme sein könnten, durch Bambus- und Graslandschaften, durch weite Täler, entlang von Weizen- und Hirse-Terrassen, vorbei an natürlichen Marihuanafeldern und durch enge Schluchten und in Fels gehauene Wege.  Die Auswirkungen des letztjährigen Erdbebens sind überall zu sehen. Hier und dort läuft man Umwege, weil Steinlawinen den Weg oder Hängebrücken zerstört haben. Touristen sieht man auf diesem Trek derzeit selten, da die Zugangsberechtigungen limitiert sind. Lastentiere sind in der Überzahl und belagern gemeinsam mit den stoisch wirkenden Yaks die schmalen Wege. Sind sie etwa gerade in den Genuss von einigen Hanfpflanzen gekommen? Es gab Neuschnee und unser Guide hatte Bedenken, ob eine Überschreitung des Larkya Pass möglich war. Uns ist bereits eine Gruppe an Hikern begegnet, die umkehren mussten. Wir gehen aber weiter.  Ab Namrung sehen wir die ersten schneebedeckten Berge. Früher war der Trek nur mit Zelt zu begehen, mittlerweile gibt es in jedem Ort einfache Gästeunterkünfte, sodass man relativ luxuriös in mehr oder weniger gemütlichen Betten übernachten kann. Ein Heizungssystem gibt es aber ebenso wenig wie regelmäßiger Strom. Die Versorgung läuft gelegentlich aber schon über Solaranlagen. Das bedeutet auch, dass die Küche der Lebensmittelpunkt ist, denn hier steht der einzige Ofen des Hauses. Hier wird gekocht und getrunken. Zutritt hat man aber nur solange, bis „Nepali Time“ ausgerufen. Nicht nur einmal wurden wir gebeten, die Küche zu verlassen, damit die Gastgeber mit den Guides ungestört trinken können. Einmal hatten wir die Möglichkeit den heimisch gebrannten warmen Raksi zu trinken. Das ist ein hochprozentiger klarer Schnaps aus Hirse oder Reis, der ein wenig an den japanischen Sake erinnert. Lho ist ein kleines Juwel auf dem Trek. Es beherbergt ein buddhistisches Kloster (Ribum Gompa) auf einem nahe gelegenen Hügel. Bei unserer Ankunft war das Dorf erfüllt von den Gesängen eines nahe gelegenen Gebetshauses. Im Inneren des Gebäudes saßen junge und alte Mönche eingehüllt in Decken und sangen Mantras oder bedienten den Gong. Überall standen Thermoskannen im Raum und man sah den Atem der Mönche, so kalt war es. Ein paar Meter weiter saßen andere Mönche auf den steinernen Stufen und aßen Reis. Die jungen Männer beobachteten die nahe gelegene Veranstaltung. Vier Männer mit rot-weißer Gesichtsbemalung tanzten zu den Gesängen und der Musik von älteren Männern. Es handelte sich nicht um Mönche. Die Jugendlichen hielten je Pfeil und Bogen, ein Beil, eine Sichel bzw. Tierkadaver in der Hand. Ein anderer Mann verbrannte einen nahe gelegenen Holzstapel mit verschiedenen Gaben. Wir erreichten Lho relativ früh am Tag, sodass wir auch Zeit hatten, das nahe gelegene Kloster auf dem Berg zu erkunden, die Sicht auf Manaslu zu genießen und sich zu akklimatisieren. Unser Weg nach Samagaun führte uns durch schneebedeckte Landschaften. Die Wege waren teils schwer zu finden. Ich folgte den Kothaufen der Esel. Das war grundsätzlich eine gute Orientierungshilfe, wenn man vom abgekommen ist. Ebenso habe ich gelernt, dass im Schlauch der Trinkblase kein Wasser sein sollte, wenn es sehr kalt ist. Ich musste leider dies Erfahrung machen, dass mein Schlauch eines morgens zugefroren war.
Welch ein Anfängerfehler! Dass passiert mir nie wieder!
Leider passierte es an dem Tag, an dem wir den Larkya Pass überqueren wollten. Ich hatte bis zu den ersten Sonnenstrahlen kein Trinkwasser. Eine echte Qual und gefährlich in dieser Höhenlage. Ich aß Schnee und lutsche Bonbons und kämpfte zusätzlich mit der eisigen Kälte, dem Mangel an Sauerstoff und dem Schlafmangel. Die Nacht war kurz. Wir starteten bereits um 4:30 morgens, um vor dem Mittag auf dem Pass zu sein, da die Winde sonst zu stark wären. Unsere Schritte waren langsam.
Warum bin ich nochmal hier? Warum tue ich mir das gerade an? Wann kommt endlich die Sonne über den Bergrücken?
Die ersten Sonnenstraßen auf meinem Gesicht zu spüren, war wie eine Befreiung von dem Gedankenzirkel, der sich nur um Trinkwasser, Unterzuckerung, Kälte und den nächsten Schritt vorwärts drehten. Die Sonne hatte eine solche wärmende Kraft, dass alles gleich viel leichter wurde und endlich am höchsten Punkt des Passes angekommen, verflogen all die Gedanken um die Qual des nächtlichen Aufstieges. Eine Leichtigkeit erfüllte mich und schon kreisten die Gedanken um die kommenden potentiellen Herausforderungen. Der Abstieg glich einem Spaziergang im Park. Wer mehr Fragen zum Trek selbst hat, kann mich gerne anschreiben.