Long Neck Village near Mar Hong Son

Opiumhandel und Völkerschauen

Ausgedehnte Reisfelder und dichter Dschungel rasten an mir vorbei. Eigentlich raste ich an ihnen vorbei auf einer kleinen Honda Click. Manchmal hatte sie aber auch zu kämpfen. Dann musste sie nämlich neblige Bergpässe erklimmen. Das mochte sie nicht so sehr. Ansonsten war sie ein wunderbarer Begleiter für meine Tour mit Armando auf dem Mae Hong Son (MHS) Loop und durch Gebiet im berüchtigten „Golden Triangle“.

Opiumhandel und Erdbeerfelder

Den Begriff Golden Triangle hat Marshall Green, United States Assistant Secretary of State im Juli 1971 auf einer Pressekonferenz genutzt. Das Goldene Dreieck ist eine imaginierte Zone im Grenzgebiet von Thailand, Myanmar und Laos, die für den Anbau von Schlafmohn und dem Opiumhandel berüchtigt war. Ursprünglich von den Bergvölkern als Genussmittel und Medizin eingesetzt, eröffnete die Nachfrage nach dem Rauschmittel neue Einnahmequellen. In diesem Zusammenhang muss auch die Geschichte des Opiumhandelns und der Einfluss der Kolonialherrscher in Südostasien und Asien berücksichtigt werden. Hier sei an die Opiumkriege in China um 1839-1842 und 1856-1860 erinnert. Infolge der enormen Probleme, die der Opiumkonsum auf die chinesische Bevölkerung hatte, verbot China den Konsum. Dadurch verloren die Briten eine riesige Einnahmequelle und übten Druck auf China aus, der mit militärisch Mitteln endete. In den kommenden Jahren verlagerte sich der Schlafmohnanbau aufgrund politischer Konflikte immer mehr in Richtung Vietnam, Laos, Thailand und Myanmar. Mittlerweile ist der Opiumhandel im Goldenen Dreieck eingedämmt. In Thailand ist der Schlafmohnanbau seit 1958 verboten. Mit großem Aufwand betrieb die Regierung verschiedene Programme, um der dort ansässigen Bevölkerung neue Einnahmequellen zu ermöglichen. Die sogenannte Royal Project Foundation, die einst der thailändische König Bhumibol Adulyadej gründete, zielte beispielsweise darauf ab, den Opiumanbau durch andere Nutzpflanzen, wie Erdbeeren, zu ersetzen. Der Tourismus leistete ebenso einen Beitrag dazu, den Schlafmohnanbau auf der thailändischen Seite einzudämmen. Mittlerweile ist der Opiumanbau in Thailand weitestgehend gebannt. Nach Ende der politischen Instabilität und der Konflikte in Laos, konnten dort der Opiumanbau ebenso zurückgedrängt werden. Myanmar ist nach Afghanistan nun der zweitgrößte Produzent von Opium. Dass das Erdbeerprogramm Erfolg hat, zeigen die zahlreichen Erdbeerfarmen, an denen ich vorbeifahre. Eine wunderbare Übersicht über die Geschichte der Region bietet die Hall of Opium. Das Museum zeigt die 5000 jährige Geschichte des Opiums und wie es dazu kam, dass es das Goldene Dreieck dominierte. 

Die Fahrt durch den Norden Thailands lohnte sich nicht nur wegen der interessanten Geschichte. Wir liebte die vielen kleinen Coffee Shops, die sich entlang der Straße verteilten, lokalen Kaffee anboten und wunderbare Blicke auf Berge und Reisfelder boten. Wir erkundeten die Lod Cave, die berühmt ist für ihre Fledermauspopulation, die man nur über ein Bambusfloss besichtigen kann. Wir besichtigten den Phu Sang Wasserfall und den Wachirathan Wasserfall. Wir bestiegen Phu Chi Fa an der Grenze zu Laos und wir ertüchtigten uns gemeinsam mit den Einheimischen in den unzähligen Outdoor-Gyms. Wir liebten es, nicht in den Backpacker-Hotspots wie Chiang Rai zu verweilen, die wie Themenparks für Erwachsene wirkten. Wir liebten die Fahrt auf unseren Honda Clicks durch die wunderbare Landschaft Thailands.

Die Padaung in Nordthailand

Einer bedenklichen Touristenattraktion konnte ich mich dann aber doch nicht entziehen. Wir besuchten Huay Pu Keng, ein Long Neck Village an der Grenze zu Myanmar. Eigentlich handelt es sich um die ethnische Minderheit der Padaung bzw. Kayan, die eine Untergruppe der Red Karen sind. Ursprünglich lebten sie in den Bergen Myanmars oder Vietnams. Die in Thailand lebenden Padaung sind aus Myanmar vor den ethnischen Säuberungen über die Grenze geflüchtet und leben nun in Flüchtlingslagern oder touristischen Schaudörfern. So ein Schaudorf in den Bergen betraten wir nun. Dafür mussten wir unsere Mopeds stehen lassen und wurden mit einem kleinen Boot zum gegenüberliegenden Flussufer gefahren. Nachdem wir unser Eintrittsgeld bezahlt hatten, führte uns der Weg durch eine circa 100m lange Straße voller Souvenirläden. Händlerinnen in traditioneller Kleidung webten Schals, stellten Schmuck her oder boten sich als Fotomotiv an. Außerdem verkauften sie Masken, Schnitzereien oder Zwillen (Katschi).

Der Besuch bedeutete mir einiges. Fünf Jahre früher stand ich genau vor derselben Situation, ob ich es moralisch vertreten kann, ein Schaudorf der Padaung zu besuchen. Damals hatte ich mich dagegen entschieden und dennoch lange gezweifelt, ob ich die richtige Entscheidung getroffen hatte. Ich wollte nicht nur wie die meisten Touristen eine halbe Stunde im Dorf verweilen, Fotos machen und dann wieder in die Zivilisation fahren. Daher freute ich mich sehr, als ich das Schild für das Gästehaus gesehen hatte. Wir fragten bei Mu Tae nach, ob wir übernachten könnten. Sie wirkte überrascht. Sie lebte seit 25 Jahren in diesem Dorf und spricht ein wenig English. Sie brauchte eine halbe Stunde, um unser Quartier vorzubereiten. Es war eine kleine Bambushütte etwas oberhalb des Dorfes gelegen mit zwei Matratzen auf dem Boden und einem Moskitonetz. Hier hatte lange niemand mehr übernachtet. Und hier hatte auch lange niemand mehr, die Betten und Laken ausgeschüttelt. Einige tote Spinnen hingen im Netz. Einige ihrer Beine lagen auf dem Laken verstreut. Wir blieben dennoch.

Die Schaudörfer sind das Ergebnis restriktiver Flüchtlingspolitik. Als Flüchtling war es ihnen nicht erlaubt, Geld zu verdienen. Ende der 80er Jahre entstanden die ersten Schaudörfer in Thailand als Teil eines Ethno-Tourismus, der Ländern Asiens und Südostasiens praktiziert wird. Die Frauen der Padaung erhielten die Möglichkeit, dem Leben im Flüchtlingslager zu entkommen und sogar ein wenig Geld zu verdienen. Bedingung war jedoch, sich für die Touristen zur Schau zu stellen. Das Konzept der Schaudörfer ist nicht neu. Insbesondere in der Kolonialzeit entstanden in Europa sogenannte Völkerschauen. Dafür wurden für damalige Zeiten als „exotisch“ empfundene Menschen nach Europa gebracht. Dort angekommen bezogen sie Schaudörfer oder traten in Zoos oder Varietés auf. Die Völkerschau sollte das Fremde, die Exotik und den Reichtum ferner Länder bezeugen sowie für den Kolonialismus werben. Der bekannteste Vertreter in Deutschland war Carl Hagenbeck (1844-1913). Mit dem Erstarken des Nationalsozialismus verschwanden zunehmend die Völkerschauen.

Hier in Thailand finde ich mich an dieser Völkerschauen erinnert. Die Bewohner dürfen die Dörfer teilweise nicht verlassen, da dies die Nachfrage verringern könnte, wenn die Padaung im öffentlichen Raum auftreten. Die Exotik des Fremden und Unbekannten würde dann schwinden und die Einnahmequelle der Schaudörfer versiegen. Das Leben in dem Schaudorf verändert allerdings auch die soziale Struktur der Familie und der Gruppe. Früher waren die Männer die Hauptverdiener. Nun verdienen Frauen den Großteil des Geldes. Solche Veränderungen bergen natürlich auch Probleme bei der Identitätsfindung und dem Selbstbild. In 2008 legten immer mehr Padaung-Frauen aus Protest ihren Schmuck ab. Sie fühlten sich von der Thai-Regierung falsch behandelt: Ausreiseverbote, Einschränkung ihrer Freiheit etc. Der Filmemacher Marko Randelovic hat das Dorf besucht, um sich selbst ein Bild vor Ort zu machen, mit den Anwohnern zu sprechen und zu hören, was sie zu ihrer Situation zu sagen haben, nachdem so viele Medien über sie im Kontext des „Menschenzoos“ geschrieben haben. 

Aktuell hat das Dorf Huay Pu Peng ein neues Tourismusmodell etabliert, das Workshops beinhaltet. Ebenso betreibt es eine Facebook-Website und ein Instagram-Account.