Step Well near Jaipur

Die rosa Stadt Rajasthans

Rajasthan, Land der Rajputen. Mehr als 19 Fürstentümer beheimatete diese Region, bevor sie in Britisch-Indien eingegliedert wurden. Noch heute sind in Rajasthan Töne zu vernehmen, dass man sich als Rajpute und nicht als Inder sieht.

Die rosa Stadt

Meine Reise durch diese Region Indiens führt mich als Erstes in die Hauptstadt des Bundesstaates: Jaipur. Sie ist auch als die „rosa Stadt“  Rajasthans bekannt. Zu Ehren des Besuches von Kronprinz Albert Eduard IV, Prince of Wales, im Jahre 1876, ließ der damalige Maharadscha Sawai Ram Singh I die Stadt in der Farbe Rosa streichen. Rosarot gilt traditionell als Farbe der Gastlichkeit und des Willkommens. Bis heute hat sich diese Tradition erhalten. Die Anwohner der Altstadt sind verpflichtet, ihre Häuserfassaden in diesen Farbtönen zu streichen. Heute zeigt sich die Stadt in verschiedensten roten und rosa Tönen, wie Rosé, Apricot, Koralle, oder Sand. Jaipur ist eine jüngere Stadt in Rajasthan und eine der ersten Städte, die auf dem Reißbrett entworfen wurde. Der Gründer Jaipurs, Maharadscha Jai Singh II (1699-1744), beauftragte 1727 Vidyadhar Bhattachary, ein Bengalischer Architekt, um die Stadtplanung und Architektur zu übernehmen. Für die Planung zog er die Lehren des Shilpa Shastra (Hindusystem zur Wissenschaft von Kunst und Design) und des Vaastu Shastra (Hindusystem zur Wissenschaft der Architektur) heran. Basierend auf diesen Grundregeln erhielt die Stadt sein raster-förmiges Erscheinungsbild aus neun rechteckigen Sektoren (chokris), einem geraden Straßennetz und einheitlichen Ladenreihen. In dieses System fügen sich beeindruckende Bauwerke wie der Stadtpalast oder der Palast der Winde (Hawa Mahal) ein. Jai Singh II war nicht nur Fürst und Krieger, sondern auch ein Hobbyastronom. Im Stadtpalast ließ er ein Observatorium (Jantar Mantar) mit 18 Instrumenten einrichten, die er zur Messung der Position von Planeten, zur Messung der Zeit oder zur Vorhersage der Intensität des Monsun nutzte. 

Amer Festung

Die Hauptstadt Rajasthans lag ursprünglich in Amer, das rund 10 Kilometer von Jaipur entfernt liegt. Die Amer Festung (oder auch Amber Festung) war der Herrschaftssitz. Sie thront hoch auf einem Bergkamm des Aravalli-Gebirges und wurde aus weißem Marmor und rotem Sandstein erbaut. Der Haupteingang erfolgt über das Sonnentor (Suraj Pol), dass seinen Namen durch die Ausrichtung nach Osten erhielt. Dieses Tor ist über eine mehrere hundert Meter lange, flach ansteigende Treppe zu erreichen. Heute werden Touristen auf Elefanten den Weg hinauf zum Sonnentor getragen. Früher war dieser Eingang der königlichen Familie, Würdenträgern und dem Militär vorbehalten. Bereits von außen erinnert die Festung eher an einen Palast aufgrund seiner zahlreichen Fenster, Pavillons und Schnitzereien. Von Innen bestätigt sich dieser Eindruck umso mehr. Die Architektur Rajasthans unterscheidet sich grundlegend von dem, was ich bisher in Indien gesehen habe. Hier prallen islamische und altindische Kulturen aufeinander und bilden eine einzigartige Mischung beider Welten: hohe Eingangstore, offene Höfe, Brunnen und Wasserwege, zahlreiche Säulen, Balkone und Türmchen, Ornamente, florale und geometrische Verzierungen, Wandmalereien und Skulpturen von Pfauen, Elefanten oder Menschen im Hindi-Stil. Besonders interessant finde ich die unzähligen Fenster. Sie bestehen aus Marmor, in das geometrische Gitter geschnitzt wurden. Einerseits kann so Luft zirkulieren und andererseits können die Damen des Hauses hinaus schauen ohne aber dass jemand sie sehen kann. Diese Finesse findet sowohl Anwendung  im Palast der Winde in Jaipur, als auch in großen Teilen der Festung. So können sich die Ehefrauen und Konkubinen des Maharadschas unbemerkt durch spezielle Gänge des Palast bewegen und Audienzen, Zeremonien oder Feierlichkeiten beobachten, ohne je gesehen zu werden. Ein Reiseführer in der Festung sagte uns auch, dass der Maharadscha Jai Singh II wegen seiner 12 Ehefrauen und 300 Konkubinen lediglich fünf freie Tage im Jahr hatte. Diese beeindruckenden Zahlen konnte ich aber durch keine Belege bestätigen.  Der Palast besteht aus vier Ebenen und besitzt mehrere Innenhöfe. Der Hauptinnenhof ist über das Sonnentor zu erreichen. In der ersten Ebene befindet sich das Jaleb Chowk, dem Platz, wo die Soldaten sich versammeln und Feiern und der Shila Devi Tempel, wo der Fürst die Göttin Kali anbetete. Auf der zweiten Ebene befindet sich die öffentliche Audienzhalle (Diwan- E- Aam) mit seinen 40 eindrucksvoll geschnitzten Säulen. Der angeschlossene Thronsaal (Takht-i-Murassa) hatte ebenso Zugang zu den privaten Gemächern und erlaubte den Frauen, über die geschnitzten Fenster Zeremonien und Besuche zu beobachten. Über das riesige Ganesh-Tor gelange ich in die dritte Ebene. Hier verbirgt sich das Juwel von Amer. In der Mitte es Innenhofes liegt der Aram Bagh, der Garten der Vergnügungen, mit offenen Wasserwegen zum Lustwandeln. Zur linken findet sich die private Audienzhalle (Jas Mandir) des FürstenDieser gegenüber liegt aber der eigentliche Besuchermagnet der Festung: das Sheesh Mahal, auch als Spiegelsaal bekannt. Seine Wände und die Decke sind mit unzähligen kleinen Spiegeln und Glasscherben verziert. Zusammen mit den Ornamenten und Arabesken bilden die Spiegel eine harmonische Komposition. Auf der vierten Eben liege die privaten Gemächer des Fürsten.  So beeindruckend und imposant der Palast auch war, so hatte Amer doch mit Problemen zu kämpfen. Die wachsende Bevölkerung sorgte für  Wassermangel in der Region. Zusätzlich war die Infrastruktur überlastet. Dies führte zur Planung und Gründung einer neuen Stadt und des zukünftigen Hauptsitzes des Maharadschas: Jaipur. Auch wenn Amer nicht mehr Hauptstadt der Region war, wurde die Festung weiterhin genutzt und ausgebaut. 

Ein Blick in meine Zukunft

In Jaipur hatten wir zusätzlich die Möglichkeit, uns aus der Hand lesen zu lassen. Auf der Elefantenfarm eines Freundes trafen wir seinen Vater. Dieser hat sich für unsere Hände viel Zeit genommen und auch sein Notizbuch zu Rate gezogen. Mit meinen Handlinien hatte er allerdings so seine Schwierigkeiten und hat sogar seine Familie um Rat fragen müssen. In Indien scheint das Handlesen wie ein Hobby ausgeübt zu werden. Jeder versteht ein bisschen darüber. Meine Lebens-, Herz- und Kopflinie waren jedoch nicht so eindeutig zu interpretieren. Laut seiner Deutung sollte ich auf mein Herz Acht geben, denn ich könnte mit 40 einen Herzinfarkt erleiden. Ebenso sagte er mir meine Zukunft bezüglich Finanzen, Familie und Beruf voraus. Ich bin gespannt, was davon letztlich eintreten wird. Es war aber allemal amüsant, den Aussagen zu lauschen.