Golconda Fort in Hyderabad

Hyderabads Dilemma ist symptomatisch für ganz Indien

Hyderabad ist die Hauptstadt des im Jahr 2014 neu geschaffenen indischen Bundesstaates Telangana. Mit 6,8 Millionen Einwohnern in der eigentlichen Stadt (mehr als Berlin) und 7,7 Millionen in der Agglomeration ist sie die viert-größte Stadt Indiens und Zentrum des sechst-größten Ballungsraums des Landes (Quelle: Wikipedia). Die Stadt kann auf eine bewegte Geschichte zurückblicken. Muhammad Quli Qutb Shah (reg. 1565–1611), Herrscher des Qutb-Schāhī-Sultanats, gründete die Stadt 1590. Unter der Herrschaft der Nizam (der Titel Nizam al-Mulk bedeutet „Ordner“ oder „Administrator des Reiches“) bekam die Stadt ein blühendes Zentrum für die muslimische Kultur.

Der Wunsch des herrschenden Nizam am Ende der britischen Kolonialherrschaft, Hyderabads Unabhängigkeit zu bewahren oder an Pakistan anzuschließen, wurde von den Briten gewaltsam unterbunden und das Gebiet der Nizam 1948 an Indien angegliedert wurde. Trotz dessen viele Muslime im Anschluss nach Pakistan auswanderten besitzt Hyderabad noch immer noch mehr Muslime als jede andere indische Großstadt. Rund 30 Prozent der Einwohner sind Muslime. Telugu und Urdu sind die meist gesprochenen Sprachen. Neben Badami hatte mich bisher nur hier der Muezzin früh morgens geweckt. Mittlerweile ist Hyderabad ein wichtiger Wirtschaftsstandort in Indien. Mit den klangvollen Namen Cyberabad oder HITEC City oder Genome Valley ist die Stadt in den letzten zwei Jahrzehnten zu einem Zentrum der IT-, der Biotechnologie- und der Pharmaindustrie geworden.

Trotz dessen bin ich mit der Stadt nicht warm geworden. Ich habe einige Sehenswürdigkeiten und Museen besichtigt und war größtenteils enttäuscht. Ich hatte den Eindruck, die Stadt vernachlässigt ihre Kulturgüter. Instandhaltungsmaßnahmen und Sanierungen wirkte auf mich eher wie ein Flickschusterei. Wenn etwas bröckelt, wird noch eine Schicht Farbe drüber gemalt. Dutzende Ornamente verschwinden so unter mehreren Farbschichten und haben ihre Form und Pracht verloren. Einige Museen scheinen keine finanziellen Mittel zu haben, um Ausstellungen zu modernisieren und so wertvollen Exponaten die nötige Pflege zukommen zu lassen. Die Aufmachungen der Ausstellungen, die Vitrinen und Informationstafeln sind veraltet, staubig und teilweise schlecht erhalten. Selten gab es englischsprachige Erläuterungen oder Informationen. Da frustriert es umso mehr, wenn von ausländischen Besuchern dann auch noch ein höherer Eintrittspreis und zusätzlich eine Fotografie-Gebühr verlangt wird. Die schlechte Finanzierung reflektiert leider nur den Stellenwert, den Kultur im Gesamthaushalt Indiens einnehmen.

Vergleich der Haushaltsausgaben bei Kultur und Militär

Angaben in Crore Rupie

Quelle: Ministry of Finance India

Zeitraum Kultur Militär Budget
2016 – 2017 2296,53 351549,79 1.975.193,71
2017 – 2018 2738,47 359854,12 2.146.734,78
2018 – 2019 2843,32 404.364,71 2,442,213,30

Während der Staat im Jahr 2016-2017 gerade einmal 0,1% des Gesamthaushaltes dem Ministerium für Kultur zur Verfügung stellte, erhielt das Militär rund 18%. Zwar stiegen die Zuschüsse insgesamt in den nächsten Jahren, doch der prozentuale Anteil veränderte sich in Relation zum Gesamtbudget nicht. Angesichts dieser Zahlen, verwundert mich daher der aktuelle Zustand der Museen, seiner Gebäude und Bauwerke, des Ausstellungsdesign sowie der Zustand der Exponate gar nicht. Das kulturelle Erbe mit seiner immensen Vielfalt kann so nicht erhalten werden. Ich hoffe wirklich, dass es hier demnächst ein Umdenken seitens der Regierung gibt.

Barbarei ist, nach der Funktion von Kultur zu fragen. Pierre Bourdieu

Auch die Kulturlandschaft Hyderabad leidet unter dieser finanziellen Misere. Neben dem Prunkstück des Birla Mandir, einem hinduistischen Temple, besitzt die Stadt eine Vielzahl kulturellen und historischen Sehenswürdigkeiten: Salar Jung Museum, Nizam Museum, Chowmahalla Palast, Golconda Festung, Charminar. Auf der Tourismuswebsite des Bundesstaates Telangana finden sich Einzelheiten zu allen Sehenswürdigkeiten des Gebietes. Ob diese kulturellen Stätten allerdings in Zukunft ausländische Touristen anziehen werden, hängt sicher auch von der Qualität der Sanierungen und der Ausstellungen selbst ab. Niemand ist heutzutage mehr inspiriert von veralteten Ausstellungsdesigns, staubigen Ausstellungsstücken und vergilbten Informationstafeln.